Spaziergang durch Leticia und die wirkungsvollste Malariaprophylaxe
Nachdem ich mir auf dem Flug in den Regenwald Gedanken über Leticia gemacht und zwischenzeitlich meine Blase mit einem fetten Pflaster versorgt hatte, ziehe ich statt der langen nun meine kurze Hose an. Es ist ja schon ziemlich warm und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Eine lange Hose ist da echt blöd. Außerdem hatte ich Vatter auf der Fahrt zum Hotel nach den Moskitos gefragt. Das Wort Moskito ist international und geht auch ohne Spanischkenntnisse. Er hat mir zu verstehen gegeben, dass um diese Uhrzeit noch keine Mücken unterwegs sind. Sie kommen am Abend gegen sechs. Super Cool, da habe ich ja noch Zeit!
Also mache ich mich los, in kurzer Hose und Hemd. Im Rucksack habe ich meine Kamera und Wasser. Das ist hier überlebenswichtig! Ich humple los, so dass mir aus der Nachbarschaft ein paar Hunde entgegenspringen und bellten. Übersetzt bedeutet das Gebell: „Hier gehts nicht lang!“
Ein Getöse! Die Frau aus meinem Hotel schrie zur Terrasse herunter und mahnte die Hunde zur Ruhe. Ich ging zurück und da kam mir schon der Mann von der Rezeption entgegen und zeigte mir, dass ich in die andere Richtung laufen solle. Also einmal um die Ecke! Schon war alles gut. Die Viecher machen Ihren Job, das muss man sagen. Hier bricht wohl niemand irgendwo ein.
Spaziergang nach Leticia – viel Polizei
Nun spaziere ich also Richtung Stadt und freue mich über das ganz besondere Flair. Ständig knattern die Motorräder die Straßen entlang. Außerdem sind viele Tuk Tuks unterwegs. Hin und wieder tragen die Fahrer einen Helm, aber das ist auch nicht ganz so wichtig.
In Leticia gibt es viel Polizei, aber im Gegensatz zu Bogota ohne Hunde. Dafür aber Maschinengewehr und Schlagstock in der Hand. Die Polizisten schlendern gemütlich durch die Straßen, mal allein, mal zu zweit, zu dritt oder zu viert. Freundlich grüßen Sie und brummeln ein „Buenos Tardes“. Hier passiert mir also auch nichts! Die Buschpolizei ist schwer bewaffnet, aber gechillt und freundlich!
Auffällig sind die vielen Streuner. Jede Menge Hunde streunen durch Leticia‘s Straßen, spielen miteinander oder chillen an der Straßenecke. Die Vierbeiner schnüffeln mich kurz an, schauen wehmütig in die Gegend, aber bellen nicht. Das sind eben keine Wachhunde. Eher die verlorenen Seelen.
Sind die Menschen in Leticia arm?
Als ich so durch die Straßen von Leticia schlendere, stelle ich mir die Frage, was eigentlich Armut bedeutet. Mit unserer westlichen Lebensweise hat das hier nicht viel zu tun. Obwohl die Kinder und Jugendlichen mit Ihren Handys spielen, ist ein Großteil damit beschäftigt, untereinander Spaß zu haben. Sie tummeln sich in den Parks, lassen Musik laufen oder spielen Fußball. Die Erwachsenen sitzen beieinander, essen zusammen und lachen. Die Häuser sind teilweise baufällig, aber dennoch bewohnbar. Es gibt in Leticia Wohnviertel, in denen lässt es sich schön leben. Aber es gibt auch die Armenviertel, die mir ein anderes Bild zeigen. Die Autos beweisen ganz deutlich: Einen TÜV gibt es nicht! Das hatte schon Vatter mit dem Chevy gezeigt.
Aber irgendwie scheint alles keine Rolle zu spielen, denn die Menschen sind ausgeglichen, herzlich und vergnügt. Es ist eben eine ganz andere Welt.
Ich schlendere an einer Militärbasis vorbei und komme dann zu den Schildern:
Der fließende Übergang in andere Länder
Nach Brasilien geht es gerade aus, nach Peru rechts herum. Hier ist also die Stadt in Kolumbien, die an Brasilien und Peru grenzt. Diese drei Ländergrenzen werden auf Spanisch „Tres Fronteras“ bezeichnet!
Heute gehe ich aber nur spazieren und bin plötzlich am Grenzübergang zu Brasilien. Ein paar Polizisten stehen rum, aber kontrolliert wird niemand. Sie stehen aber auch sonst überall in der Stadt rum. Ich sehe ein unauffälliges Schild: „Frontera Colombia – Brasilia“ und das war es schon.
Die Bratwurst von Leticia und das Wechselgeld
Ich humple wieder zurück und nun kommt der Geruch ins Spiel. Hier wird gegrillt! Am Straßenrand gibt es jede Menge dieser Grillbuden. Hier liegt eine riesige Wurst, daneben große Spieße mit Fleisch und gegrillte Bananen. Ich zeige auf die Wurst und der ältere Mann zeigt auf gebratene Yukka. Das sieht aus wie ein Toastbrot, aber es ist Yukka. Ich stimme zu und setze mich mit meiner großen Bratwurst an einen Tisch. Anders als bei uns ist es eine rote Bratwurst direkt vom Grill. Das ist also Kolumbien denke ich mir, und beiße in die Wurst. Schneiden kann ich sie leider nicht, denn es gibt nur eine Gabel und einen Löffel. Also beiße ich genüsslich rein. Dazu bekomme ich eine große Plastikschüssel mit eingelegten Zwiebeln und Gurken. Was da sonst noch drin ist weiß ich nicht, ich will das aber auch gar nicht wissen. Es schmeckt aber. Der kolumbianische Grillmeister hatte ganz verkohlte Hände, nur einen Zahn aber schien dennoch entspannt zu sein. Er steht jeden Tag am Grill. Als ich so saß und meine Yukka mit Wurst verputzte, konnte ich beobachten, wie ständig jemand an den Imbiss kam, nur um einen kurzen Plausch zu halten. Den Grillmann kennt wohl jeder hier. Nicht jeder Besucher hatte sich etwas zum Essen oder Trinken gekauft. Aber viele von denen kamen einfach nur vorbei und redeten eine Weile.
Dann machte ich mich ans Bezahlen und fragte „Cuanto Questa?“ Das habe ich nämlich schon gelernt. Er rief mir zu, dass es 8.000 Peso kostet. 1,79 Euro! Ich zücke meinen 20.000 Peso-Schein und er schaut mich verzweifelt an. Aber ich habe es nicht anders. Ich dachte mir so: „Es sind doch auch nur 4,48 Euro“. Bloß gut, dass ich das nicht gesagt hatte, denn für das „nur“ schämte ich mich schon ein wenig…
Freundlich nimmt er die 20.000 Peso und läuft davon. Huch wo isser denn? Er wird immer kleiner und läuft in Richtung Stadt. Nach einer Weile kommt er wieder und gibt mir mein Wechselgeld. Ich runde kräftig auf und ziehe weiter. Über die 2.000 Pesos freut er sich, dabei reicht das bei uns gerade einmal für ein trockenes Brötchen. Ja so ist das mit dem Mann am Grill, mitten im Regenwald.
Leticia – im Regenwald geht die Post ab
Die Straße füllt sich mit Menschen, knatternden Motorrädern und Tuk Tuks. Erstaunlich viele Taxen fahren auf der Straße, viele davon sind gefüllt. Wo kommen die vielen Menschen eigentlich her? Eine verlassene Stadt im Urwald? Fehlanzeige, Leticia ist bei weitem nicht verlassen. Aber irgendwie ist es doch anders und wieder eine ganz andere Welt, als in Bogota. Ich weiß gar nicht so recht, ob die Menschen arm sind. Sicher, sie haben keine großen Besitztümer und werden auch nicht darüber nachdenken, wie sie am einfachsten einen Vielfliegerstatus bekommen. Die Autos würde man bei uns als Schrottmöhren aus dem Verkehr ziehen. Aber das zählt hier alles nicht. Hauptsache sie fahren.
Auf dem Weg zum Hotel ging langsam die Sonne unter. Ich schleiche gemütlich durch die Straßen und lausche der Natur. Es ist sehr laut, aber da das Hotel ein wenig abseits liegt, kommt die Geräuschkulisse nicht mehr von den Menschen, sondern von den tierischen Bewohnern. Es zierpt, es quietscht und es pfeift. Ein echtes Konzert.
Für die Übernachtung abe ich mir das Zugi Inn – ein wirklich chilliges Hotel – ausgesucht!
Die beste Malariaprophylaxe überhaupt
Als ich später wieder in meinem Zimmer bin, höre ich ein einzelnes Summen. Dieses nervige Geräusch kenne ich, das hat auch einen tierischen Ursprung. Naja dich kriege ich schon. Erstmal schäle ich meine Birne, die ich mir im kleinen Lebensmittelladen gekauft hatte. Man stelle sich vor, in diesem kleinen Minimarkt gab es keine tropischen Früchte, sondern Erdbeeren, Birnen und Äpfel. Als ich die Kernhöhle rausschneiden wollte, rutschte ich mit dem Messer ab und stach mir die Spitze in die linke Hand. Da hatte ich ganze Arbeit geleistet, denn das Blut lief nur so, obwohl die Wunde nicht sehr groß war. Die Zimmereinrichtung ist komplett in Weiß gehalten. Deswegen bin ich direkt ins Bad gesprungen, denn weiße Bettwäsche und Blut hätte hinterher ausgesehen, als hätte ich ein Gemetzel veranstaltet. Ich spülte meine Hand, legte auf die Schnelle ein Stück Toilettenpapier drauf und wartete eine Weile. Natürlich war es unbenutzt 🙂
Später klebte ich mir ein Pflaster auf die Handfläche und dann war alles wieder gut. Aber irgendwie war das nicht mein Tag: Blase am Fuß, Messer in die Hand gesteckt, kein Geld am Flughafen und dann war mein frisch gezapftes Geld auch noch zu groß um meine Bratwurst zu bezahlen. Ja, es war tatsächlich ein erlebnisreicher Tag!
Als ich mich hinlegte, hörte ich wieder dieses Summen. Das hatte ich ganz vergessen. Das W-LAN war ausgefallen, so dass ich nicht im Internet surfen konnte. So konnte ich mich vollumfänglich auf das eklige Summen konzentrieren. Der Amazonasregenwald ist bekannt als Gelbfiebergebiet, Malaria und alles hässliche Zeug, was es so gibt. Übertragen werden diese Tropenkrankheiten durch Moskitos. Also stand ich auf und führte die effektivste Art der Malariaprohylaxe durch. Klatsch…!
Am nächsten Morgen hatte ich tatsächlich keinen einzigen Mückenstich! Das ist auch gut so, denn endlich gehe ich zum Amazonas und erlebe einen ganz beeindruckenden Tag…