Die Altstadt von Cartagena ist nicht die einzige Reise in die Vergangenheit

Die Altstadt von Cartagena ist nicht die einzige Reise in die Vergangenheit

Eigentlich wollte ich mir nur die Altstadt von Cartagena anschauen, aber mein Aufenthalt verläuft ganz anders als ich es geplant hatte. Er verläuft auch anders, als meine Reisen bisher. Mi Amiga Colombiana hatte mit mir ein bisschen geschrieben. Ich haute die Texte in den Google-Translator rein und verstand zumindest etwas und hoffte, dass meine Antworten auch das waren, was ich sagen wollte. Sie heißt Mariana und studiert. Dabei muss sie fast jeden Tag im Restaurant Kellnern, weil das Geld knapp und Ihre Mutter krank ist. Mutter und Vater haben nicht viel Rente, aber das wundert nicht, denn selbst der Mindestlohn liegt in Kolumbien bei etwas mehr als 200 Euro. Das staatliche Gesundheitssystem ist nicht gerade das Beste.

Ich fragte Mariana wie sie denn zur Universität gehen kann, wenn Sie jeden Tag von 12.00 Uhr bis 24.00 Uhr arbeitet. Sie erklärte mir, dass es sich um ein Fernstudium handelt, welches mit Onlinekursen funktioniert. Das kostet allerdings auch Geld. Jetzt frage ich wie viel sie denn im Restaurant verdient. „36.000 Kolumbianische Pesos am Tag“. Das sind ca. 8 Euro. „Heilige Scheiße!“ dachte ich mir.

Bunte Häuser in der Karibik
Bunte Häuser in der Karibik

Als ich in der Apotheke meine Antiblasengrundausstattung kaufte (1 x Desinfektionsspray, eine Packung Wundkompressen und 1 Rolle Pflaster), legte ich dafür 92.000 COP, also ca. 20 Euro auf den Tisch. Medizinischen Material ist bei uns in Deutschland auch sehr teuer, aber in Kolumbien stimmt etwas ganz und gar nicht. Ich ließ meine Erfahrungen der letzten Tage an mir vorbeiziehen:

Eine Taxifahrt ins Hotel kostet mich ca. 15.000 COP, also 3,35 Euro. Einmal Essen sind um die 30.000 COP (6,70 Euro). Aber Pflaster, Ein bisschen Zellstoff und Spray kosten 92.000 COP. Eine Zwölf-Stunden-Schicht bringt dem Mädel 8 Euro.

Mariana geht es nicht besonders gut, Sie fühlt sich minderwertig. Das konnte ich gut verstehen.



Booking.com

Mich holt die Vergangenheit ein

Ich dachte so an meine Studienzeit. Ich war ebenfalls depressiv, was zu einer Überschreitung der Regelstudienzeit führte. Das Bafög wurde gestrichen und ich rutschte immer mehr in die Depressionen. Depressionen sind scheiße, denn mich lähmt das. Die Bewältigung meines Alltages war ziemlich schwer. Ich war träge, hatte zu nichts Lust und konnte mich kaum konzentrieren.

Ich hatte kein Geld. Das führte dazu, dass ich neben dem Studium arbeiten musste. Weil es mir aber nicht gut ging, konnte ich keinem Job mit geregelten Arbeitszeiten nachgehen. Es war ein Teufelskreis. Ich hatte kein Geld, es ging mir schlecht und weil es mir schlecht ging, konnte ich kein Geld verdienen. Ohne Geld und mit viel Arbeit, konnte ich in der Konsequenz mein Studium nicht pünktlich abschließen.

Die bunte Altstadt von Cartagena
viele Menschen verdienen nicht viel Geld, aber leben in einer schönen Stadt

Damals gab ich Nachhilfe, das konnte ich flexibel gestalten. Aber eines ging dabei gar nicht: Die Nachhilfe durfte nicht ausfallen!

In Deutschland gibt es auch solche Situationen. Die entstehen dann, wenn man selbst nicht ins Raster passt. Als Student hatte ich keinen Anspruch auf Hartz 4, denn ich war nicht arbeitslos. Wohngeld gab es nicht, weil ich kein eigenes Einkommen hatte. Sozialhilfe gab es auch nicht, weil ich studierte. Eine Erwerbsminderungsrente hätte ich bekommen können. Dafür hätte ich aber das Studium schmeißen müssen. Ein scheiß Spiel! So studierte ich also ewig. All diese Erinnerungen wurden wach, als ich darüber nachdachte, was mir Mariana erzählte.

Das zweite Hotel in Cartagena und das Taxi zurück

Am nächsten Morgen schrieb Sie mir eine Nachricht, dass es schön wäre, wenn ich ins Lokal komme. Der Chef sei nicht da, sie ist mit ihrer Kollegin allein. Es sei auch nicht besonders viel los.

Eigentlich war ich schon im Hotel InterContinental auf der Halbinsel Bocagrande (Als Punktesammler und Schnäppchenjäger wechselt man eben öfter das Hotel). Aber ich dachte mir so, naja warum nicht. Ich schnappte mir ein Taxi und lies mich für 15.000 COP ins Restaurant fahren, direkt neben dem Ibis, in dem ich meine OP durchgeführt hatte.

Bocagrande
Bocagrande ist das moderne Touristenviertel von Cartagena

Mariana freute sich und stellte mir gleich Ihre Kollegin vor. Barbara arbeitet dort als Köchin und ist Kollegin und Freundin. Ich bekam ein leckeres Getränk: Limetten-Limo mit Eis. Es schmeckte göttlich! Es war ein Geschenk. In der tiefkalten Eis-Limo steckte ein Strohhalm. Kennst du das, wenn der kalte Schmerz tief nach oben, direkt durch das Frontalhirn saust und stechend aus dem Großhirn den menschlichen Körper wieder verlässt? Ich mache den Fehler immer wieder.

Wir unterhielten uns ein wenig mit Hilfe des Google-Translaters, da ich ja kein Spanisch kann. Ab und an kam Kundschaft, aber das machte nichts. Isabella setzte sich dazu und wir drei hatten viel Spaß miteinander. Immer wenn sich die beiden miteinander unterhielten, schaute ich wie ein dummer Junge, weil ich nichts verstanden hatte. Die beiden fanden das lustig. Ich möchte gar nicht wissen, was im Beisein vom Gringo alles gelästert wurde.

Es war ein schöner Nachmittag. So saß ich mit Mariana im Restaurant, der Blick fiel auf das Meer und erlebte den kolumbianischen Lifestyle aus erster Hand. Ab und zu setze sich Barbara dazu.

Später lief ich dann zurück nach Bocagrande. Es ist ein herrlicher Spaziergang, der Sonnenuntergang in Cartagena ist eine Wucht. Meine Füße hassten mich dafür, denn die taten so richtig weh. Ich hatte nach wie vor meine Sandalen an.

Einmal von Cartagena Bocagrande zum Einkaufszentrum

Als ich im Hotel war und mein WLAN wieder funktionierte, schrieb mir Mariana eine Nachricht. Sie fragte, ob ich Lust hätte mit ihr und Barbara am nächsten Morgen auszugehen. Ich schrubbte meine Schuhe und legte sie in Seifenwasser ein. Danach goss ich jede Menge Desinfektionsmittel rein und spülte die Schuhe aus. Das Zimmer im InterContinental hat eine begehbare Dusche. Ich stellte mich dort hinein, schloss die Tür und schleuderte die Schuhe mit den Armen hin und her, bis das Wasser an der Wand klebte. Danach föhnte ich die Schuhe auf der höchsten Stufe trocken. Das hat ewig gedauert. So, morgen kann ich besser laufen.

Ich verschob meine Cartagena-Erkundungstour also auf Mittag und fuhr am nächsten Morgen zum Einkaufszentrum Mallplaza. Ich kam zu spät an, weil der Straßenverkehr so dicht war und das Taxi mehr stand, als fuhr. Wir spazierten durch das Einkaufszentrum und aßen Pizza. Barbara hatte Ihren kleinen Sohn dabei. Ein ganz lebhafter Junge. Es war schön und wir unterhielten uns wieder. Es lebe das Smartphone!

Nebenbei: Wer hatte wieder mal die fette Lasagne?

Wir hatten also eine riesige Familienpizza, eine Lasagne, drei Kaffees und eine Cola. Der Gringo zahlte also Essen und Trinken für 4 Personen und wurde so 56.000 Pesos los. Das sind umgerechnet: 12,51 Euro. Zur Erinnerung: Pflaster, Kompresse und Spray kosten 92.000 COP (20 Euro).

Barbara erzählte mir, dass sie aus Venezuela nach Kolumbien gekommen ist und seit ca. 3 Jahren hier lebt. Venezuela ist sehr instabil.

Beide Amigas sind sehr bescheiden. Sie hatten kein Interesse an den Boutiquen und einem Europäer der alles zahlt. Sie wollten nur eine schöne Zeit haben. Genau das hatten wir.

So kam es, dass ich gleich zwei neue Freundinnen gefunden habe: Un Amiga colombiana y un Amiga venezolano. Die Zwei sind echt klasse und arbeiten leider sehr hart für sehr wenig Geld.

Eine andere Erfahrung mache ich auf meinem Spaziergang durch die Stadt.

Zu Fuß in die Altstadt von Cartagena

Bis zum Restaurant, in dem die beiden arbeiten, ist es ein langer Fußmarsch. Die beiden hatten den Chef bekniet, dass Sie zwei Stunden später mit der Arbeit anfangen dürfen. Wir orderten ein Taxi und fuhren Richtung Restaurant. Das Taxi hielt eine Straße weiter, dass der Chef ja nichts merkt. Aufregend, wie in einem Krimi. So steigen wir aus und verabschieden uns voneinander.

Ich laufe nun zurück und möchte mir Cartagena anschauen. In der heißen Mittagssonne komme ich an dem großen Festungswall Castillo San Felipe de Barajas an. Beeindruckt klettere ich die Treppen nach oben und laufe auf der Mauer entlang. Dabei blicke ich aufs Meer und auf die Altstadt von Cartagena.

Festungsmauer in der Altstadt von Cartagena
hinter der großen Festungsmauer tut sich Bocagrande auf

Es ist eine schöne, alte Festung. Die Einwohner wollten sich vor den feindlichen Angriffen der Europäer schützen. Kaum zu glauben, aus welchem Grund diese riesige Anlage erbaut wurde. Als ich auf der Mauer stehe und auf das ruhige, strahlende Blau des karibischen Meeres blicke, kann ich mir die großen Schlachten gar nicht vorstellen. Der ursprüngliche Name war: Castillo de San Lázaro. Die Stadt, samt ihrer Festung, hat einige Schlachten hinter sich. So haben sich die Spanier, die Franzosen und die Briten an der kolumbianischen Karibikküste ausgetobt.

Nach einer Weile habe ich in der Sonne das Hemd durchgeschwitzt. Nun spaziere ich durch die Altstadt von Cartagena.

Kanonen haben die Altstadt von Cartagena verteidigt
Cartagena wurde mit großen Kanonen verteidigt

Die Altstadt von Cartagena

Es ist ein wirklich hübsches Stadtzentrum. Der spanische Einfluss ist deutlich erkennbar. Die tropische Vegetation verändert das Bild nur leicht. Allerdings sind die Auswirkungen der Regenschauer deutlich zu spüren. Überflutete Straßen ziehen sich durch ganz Cartagena. Davon lassen sich die Bewohner allerdings nur wenig beeindrucken, denn sowohl Autos, Busse, als auch Taxen fahren durch die riesigen Pfützen, als ob es das Normalste der Welt ist. Das ist es hier auch. Die Erfahrung hatte ich gestern Abend schon gemacht.

Regenwasser in der Altstadt von Cartagena
Regenwasser durchfließt die Altstadt von Cartagena

Ich schlendere weiter durch die Stadt. Obwohl die Altstadt Cartagenas hübsch angelegt ist, zeigt sich das touristische Interesse. Überfüllte Gassen sind von Straßenhändlern regelrecht überflutet. Mich nerven die Verkäufer langsam. Ständig soll ich eine Sonnenbrille kaufen, einen Hut oder Armbänder. Kubanische Zigarren werden mir präsentiert. Abgesehen davon, dass ich nicht rauche, möchte ich in Kolumbien keine kubanischen Zigarren kaufen.

‚Ich spüre den Unterschied zwischen den ländlichen und den touristisch erschlossenen Gebieten. Hier ist es zwar schön, aber die Händler verstoßen gegen das 1. Gebot: „Du sollst den Gringo nicht nerven!

Manche von denen sind richtig aufdringlich. Oft reicht ein „No“ nicht aus. Ich bringe meine Körpersprache zum Einsatz, denn das hilft. Ich erinnere mich an den Film „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“. Dieser wurde ja auch zum Teil in Cartagena gedreht. Dort gab es die Situation, dass Plata mit einem Piloten durch die Stadt läuft. Ein Mann trägt einen schweren Sack auf der Schulter und läuft den beiden immer wieder vor die Füße. „Hau schon ab mit deinem scheiß Sack!“ Das hatte hervorragend funktioniert! Ich liebe diese Filme, auch wegen der Dialoge!

Die Verkäuferin der besonderen Art

Obwohl mich die teilweise aggressiven Verkäufer nerven, setze ich meinen Spaziergang durch die Altstadt fort. Als ich in einem Park ankomme, treffe ich auf eine Verkäuferin der ganz besonderen Art. Eine junge, braungebrannte Frau spricht mich an und sagt, dass sie mir die Stadt zeigt. „Auch eine interessante Geschäftsidee!“, denke ich mir und stimme zu. Natürlich kostet es mich ein paar Peso, aber was soll für gerade einmal 11 Euro (50.000 Peso) schon passieren?

Ich gebe Ihr das Geld und schalte schonmal meinen Google-Übersetzer ein. Die Dame führt mich zu einem weiteren Park. Dort bestaune ich ein Faultier. Ich habe noch nie ein echtes Faultier gesehen. Naja, bis auf (einige) Beamte in Deutschland.

Ein Faultier in der Altstadt von Cartagena
Ein echtes Faultier… das ist wirklich so langsam…

Sie macht ein Foto. Danach kommen wir an einem Straßenverkauf für Eis vorbei. Sie kauft zwei Eis und weiter geht‘s. Nun kommen wir in die Altstadt und sind in einer Straße, in der Kunstgegenstände und Malerei verkauft werden. Muy bonito!

Wieder ein Foto! Klick! Als nächstes ein Brunnen und danach eine Gasse, in der jede Menge Regenschirme hängen. Bis dahin war alles gut und ich dachte mir so: „Wie cool, das hätte ich so nie gesehen.“

Dann fing Sie aber damit an, viele Fragen zu stellen. Was ich heute Abend so mache? Ob ich alleine sei, ob Sie mir den Sonnenuntergang zeigen soll und wo mein Hotel sei. Nun kam die weibliche Verführungskunst ins Spiel. Körpersprache vom Allerfeinsten. Mir dämmert es langsam. Der weiße Gringo mit dem fetten Geldbeutel…

Regenschirme
Regenschirme in der Altstadt von Cartagena

Ich habe dann den Sonnenuntergang in den Nachmittag verlegt. Aus war das Licht!

Auf Deutsch habe ich „Tschüss“ gesagt und die Tusse stehen lassen. Sie hatte irgendwas auf Spanisch gemeckert, die Leute haben aufmerksam zugeschaut. Sauer bin ich ins Hotel gestiefelt, mir tat sowieso der Fuß weh. Bin ich doch auf die Touristenfalle reingefallen.

Ich war erst ziemlich sauer. Aber dennoch war ich froh, dass ich doch schöne Ecken von Cartagena gesehen habe, die ich sonst nicht entdeckt hätte. Ich war auch froh, dass ich nur 11 Euro für eine Tour durch die Altstadt von Cartagena bezahlt hatte und den Rest meiner Kohle behalten konnte.

Wie verzweifelt die Menschen versuchen Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist echt traurig. Nun kommt mir wieder die Arbeit von Barbara und Mariana in den Kopf. Sie arbeiten auch hart, aber es ist ehrliche Arbeit. Beide möchten das Leben verändern. Die Frau von der Straße tut nichts der Gleichen und wird dort wohl bleiben.

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